[lahmacun]

İstanbul'un yabancısı

Pazartesi, Mayıs 29, 2006

doppeltes Jubiläum


Heute feiern die İstanbullus die Eroberung ihrer Stadt vor genau 553 Jahren - und ich die meine vor genau 1 Monat...

Pazar, Mayıs 28, 2006

Ode to İstiklal Caddesi






Dass man in dieser Straße samstags nach Mitternacht noch Fistiks, die kompletten Alben von Dany Brillant oder sein Simlock-Handy gecrackt bekommt, in den Seitenstraßen zu traditionellen Weisen (extrem schnulzig) ebenso wie zu Techno getanzt wird, man T-Shirts (pardon: tişört) für 5 (in den Passagen) wie für 50 YTL (in den westlichen Edelboutiquen; das sind dann bekanntlich die, die passen) kaufen oder aktuelle französische Filme mit türkischen Untertiteln sehen kann, dass Dragqueens/Transvestiten mehr oder weniger friedlich an kopfbetuchten Frauen vorbeistöckeln (wie weit da tatsächlich das gegenseitige Verständnis reicht, will ich nicht wissen – zumindest kommt es nicht zum tätlichen Zickenfight) und schließlich über allem der Müezzin (ja, ein „ü“ ziert auch dieses Wort) ruft ohne allzuviel Aufmerksamkeit zu erregen – ich gebe zu, dass es mich immer noch begeistert.
Natürlich ist das nicht „die Türkei“, natürlich sehe auch ich die vielen Bettler und natürlich würde der echte İstanbullu die Seele dieser Stadt in ganz anderen Ecken als in dieser zumindest partiell Touristenverseuchten Shoppingzeile verorten (überhaupt ist sie ja „nicht mehr wie früher“)… – Aber man wird ja wohl noch schwärmen dürfen!

Pazar, Mayıs 21, 2006

"Republik" vs. "Islam"






Ich weiß nicht, ob es bis nach Deutschland gedrungen ist, aber hier prallen gerade zwei widerstreitende Elemente türkischer Identität mal wieder konfliktreich aufeinander: Laizisten/„Republikaner“/Atatürkanhänger (= fast alle und die Elite sowieso) auf der einen, „Islamisten“ (zufälligerweise die Regierung) auf der anderen Seite: Am Mittwoch hatte ein junger Anwalt einen Richter des Obersten Verwaltungsgerichts ermordet, um (so wird zumindest kolportiert) Rache zu üben für ein Urteil, das das Kopftuchtragen für Beamtinnen weiter einschränkt (einer Lehrerin wurde die Beförderung verwehrt, weil sie am Weg zur Schule[!] ein Kopftuch trägt – ja, so islamfreundlich wie in Badenwürttemberg, wo das nur im Klassenzimmer verboten ist, ist man hier nicht!). Seitdem demonstrieren landesweit Tausende um ihre Solidarität mit dem Opfer zu bekunden und für die Beibehaltung der streng laizistischen Staatsordnung einzutreten. Das trifft auch die Regierung, die das genannte Urteil selbst kritisiert hatte.
Gestern Abend habe ich einen solchen schon fast gespenstischen Aufmarsch am Taksimplatz erlebt, wo sich in der Dunkelheit eine Menge um das Atatürkdenkmal herum versammelte und in einer Art Beschwörungszeremonie mit Fackeln (mir unverständliche) Gesänge anstimmte. Wie eng die heutige Parade, von der die übrigen Bilder stammen [das Bild mit den Riesenflaggen ist übrigens von unserem Balkon aus aufgenommen], damit zusammenhängt, ist mir nicht ganz klar. Der Anblick hat bei mir jedenfalls die Erinnerung an einen Spielmannszug in der vierten Jahreszeit (die Musik ein bisschen martialischer vielleicht und die Funkenmariechen etwas züchtiger) und entsprechend wenig Ehrfurcht/Andacht hervorgerufen. Ganz anders bei den übrigen Zuschauern, die aufmerksam folgten und Atatürkportraits reckten, der eine oder andere ließ sich sogar zu heftig beklatschten Spontanreden zu Ehren Atatürks hinreißen.

Cuma, Mayıs 19, 2006

Nationalfeiertag







Heute wurde hier der nationale „Feiertag der Jugend, des Sports und des Gedenkens an Atatürk” begangen, der an den Beginn des türkischen Befreiungskrieges gegen die Besatzungsmächte Frankreich, Griechenland, Großbritannien und Italien 1919 erinnert und zugleich als Ersatz für Atatürks Geburtstag (dessen Datum nicht bekannt ist) dient. Wie man auf den Bildern hoffentlich sieht, sind nicht nur alle öffentlichen Gebäude üppigst beflaggt, auch die Busse und Bahnen, fast alle Geschäfte, einige private Balkone & Fenster und schließlich die obere Bildschirmecke aller TV-Kanäle sind mit Fähnchen in verschiedensten Größen geschmückt. Der Nationalismus (zu dem ich bisher leider selbst mehr Fragen als hier präsentable Beobachtungsergebnisse habe) scheint (noch) eine bestimmende Grösse zu sein. Skizzenhaft, was mir bisher auffiel:
So überheblich dieses Urteil sein mag: Oft begegnet einem doch noch ein tendenziell essentialistisches Verständnis vom ‚Charakter’ anderer Völker: „Die Deutschen“ sind ehrlich, „die Kurden“ wollen nur Geld (oder was war’s noch gleich?), „die Juden“ – an der Stelle habe ich nach einer Vorschau einschlägigen Inhalts aus Sorge um den weiteren Verlauf des Abends dann lieber abgeblockt.
Das ist durchaus mit Selbstkritik verbunden: Immer wieder werde ich darum gebeten, doch bitte die in Deutschland lebenden Türken (die übrigens, weil aus den ländlichen Gebieten im Osten stammend, „kulturlos“ sind und „nur Geld wollen“) nicht für repräsentative Vertreter der Türkei zu halten. Keine Illusionen machen sich die meisten auch über die wirtschaftliche Ineffizienz und den Nepotismus in ihrem Land.
Dass Atatürk unantastbar ist, scheint mehr als (z.T. wunderliche Blüten treibende) Staatsräson: Er wird auch in Kreisen, in denen ich es nicht vermutet hätte, tatsächlich leidenschaftlich verehrt und sein Bild ist präsent wie bei uns früher wohl das Konterfei des Kaisers. (Wie bei einer - nur von Schweden besuchten - Podiumsdiskussion heute Abend ein Redner etwas bitter sagte: Man könne in der Türkei mit gewissem Geschick besauch ohne Kapital ein kleines Geschäft eröffnen, aber niemals ohne ein Atatürkportrait…)
Im Positiven würde ich auch die überwältigende Gastfreundschaft als Wunsch, Fremden zu zeigen, worauf man stolz ist, mit diesem uns Deutschen so fremden und natürlich keineswegs unproblematischen Nationalstolz in Verbindung bringen.

Pazar, Mayıs 14, 2006

Galatasaray şampiyon!







Hier wird gerade in gebührender Form der Meisterschaftssieg von Galatasaray begangen, die heute Abend Kayserispor geschlagen haben: Während die einen auf dem Taksim tanzen und Feuerwerke zünden, verteilen die anderen mit großer Gründlichkeit den Müll in 'meiner' Straße (durch gezielte Fußtritte, die sicher nur die drei Torschüsse nachahmen sollen)... [Auf dem dritten Bild geht es übrigens links am "Simit Sarayı" vorbei in kaum mehr als drei Schritten zu dem Haus, in dem ich wohne.]

Pazartesi, Mayıs 08, 2006

Mal wieder: Nabelschau [bzw. hier: Knöchelschau]

Eine harmlose, aber schmerzhafte Fußverstauchung hat mich gestern ins deutsche Krankenhaus gleich um die Ecke geführt (der Name bedeutet übrigens nicht, wie ich naiv annahm, dass am Empfang oder Telefon irgendjemand Deutsch oder auch nur Englisch sprechen würde).
Das beste an der Behandlung zum Schnäppchenpreis von knapp 300 Euro war, dass ich ihnen nach basarähnlichen Verhandlungen gleich zwei (man ist anspruchsvoll!) Krücken abschwatzen konnte, die es mir wieder ermöglichen, die Errungenschaften des Homo erectus nachvollziehend aufrecht von Bett zu Klo und Kühlschrank zu gelangen (vom 4. Stock die Treppen zur Straße hinunterzurutschen war nicht ganz so spaßig, wie ich es aus Kindertagen in Erinnerung hatte). Da mir der Doktor aber für die nächsten Tage „any mobilisation“ strikt verboten hat, werde ich erst mal keine Angriffskriege führen, sondern mich friedlich ins Bett begeben (wo ich aufgrund einer kleinen Erkältung ohnehin besser aufgehoben bin).

Cumartesi, Mayıs 06, 2006

Sprachliches II


Für Freunde der schönsten Sprache der Welt immer wieder erheiternd sind Umfang und Art, in der sich die türkische Sprache beim Französischen bedient:
Man zieht pantalon (külot darunter bitte nicht vergessen!) und manto an, geht zum gar und kauft am gişe ein bilet, kriegt dann vor lauter Wut Probleme mit der tansyon (Blutdruck), weil der hoparlör einen rötar des tren verkündet, aber mit ein bisschen şans erwischt man ja noch den otobüs (vorausgesetzt natürlich, die şoförler sind nicht im grev) um in die banliyö zur şarküteri zu fahren – wirklich sehr enteresan und esprili!

Salı, Mayıs 02, 2006

Staj - mein Praktikum






Heute hatte ich meinen zweiten Arbeitstag in der „Wirtschafts- und Sozialgeschichtsstiftung der Türkei“ Tarih Vakfı, einer ebenso idealistischen wie ressourcenarmen NGO [Pleonasmus/Abundanz, ich geb’s zu], die oft gegen den Widerstand des konservativen Establishments (dazu später vielleicht mehr) für eine wissenschaftlich-kritische, nicht-nationalistische und auf breite demokratische Partizipation gründende (kurz: zeitgemäße) Auseinandersetzung mit der türkischen (und osmanischen) Geschichte arbeitet. Was die unbedarfte Faustin zur Erreichung dieser hehren Ziele beitragen kann, wird sich weisen… Jedenfalls wurde ich gleich der Abteilung zur Planung des „Istanbul Museum“ zugewiesen; bisher besteht sie im Wesentlichen aus einem (freilich hochmotivierten) Mitarbeiter und ehrgeizigen Plänen.
Wie auf den Bildern zu sehen liegt mein Arbeitsplatz für die nächsten zweieinhalb Monate in den Räumen einer notdürftig restaurierten Münzprägestätte aus Osmanischer Zeit direkt im Gülhane-Park, der auch den berühmten Topkapı-Palast beherbergt. Die Bilder auf der Seite vermitteln nur einen unzureichenden Eindruck von der Idylle, die einen dort umgibt (und zu deren Beschreibung man sich der abgedroschenen Floskel vom „morbiden Charme“ kaum enthalten kann).

Sprachliches


Diese nicht ungewöhnliche Ü-Anhäufung heißt bloß „Direktion von …“ (müdür=Direktor; müdürlük=Direktion; Müdürlüğü=dem/der … seine/ihre Direktion). Ich bin ja schon länger der Meinung, dass dieser gemeinsam gegen den Spott anderer Nationen im Alphabet bewahrte Buchstabe die ideale Grundlage für eine einzigartige Völkerfreundschaft zwischen Deutschland und der Türkei darstellt (lassen wir die verrückten Finnen mal beiseite), aber davon konnte ich noch keinen meiner dem Dönerkonsum so zu- wie einer türkischen EU-Mitgliedschaft abgeneigten Landsleute überzeugen…